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So kann es weitergehen

Philipp Dittberner gastierte zum Auftakt seiner Akustik-Tour am 13. Februar im Wizemann in Stuttgart.

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Es ist jetzt sechs Jahre her, seitdem der Berliner Philipp Dittberner mit dem Lied „Wolke 4″ in Deutschland, Österreich und der Schweiz einen Hit landete und sich im Singer-Songwriter-Haifischbecken etablierte. Zwei CDs, einige Singles und viele Konzerte später hat Philipp Dittberner in Stuttgart ins Wizemann zum Akustik-Abend geladen.

Von Clemens Maguire

Nun ist es in unserem kommerziell geprägten Musikgeschäft ungewöhnlich nach sechs Jahren und zwei CDs auf unplugged zu machen, zumal in der Regel der alternde Künstler erst nach 30 Jahren seine alten Hits noch mal ohne Strom neu aufnehmen und verkaufen will. Beispiele gibt es dafür zuhauf. Die Plattenfirma will zufrieden gestellt sein. Dieser Grund scheint bei Philipp Dittberner keine Rolle gespielt zu haben, denn nach sechs Jahren und zwei Platten kann doch unmöglich eine Unplugged-Scheibe geplant sein.

In der Musiktheorie gilt die Maxime: Ein Song ist dann ein guter Song, wenn er solo auf einer akustischen Gitarre funktioniert. Und das ist, was Philipp Dittberner so einzigartig macht. Man kann sich jeden Song sehr gut am Lagerfeuer bei Stockbrot und Grillwurst vorstellen. Nur du und Philipp. Es würde mich nicht wundern, wenn die Songs von Philipp Dittberner ausschließlich auf der Gitarre komponiert wurden. Und dass, obwohl Philipp Dittberner nicht dem ursprünglichen Bild eines Singer-Songwriters entspricht. So wird auch mal mit elektronischen Beats gearbeitet, und seine Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner DJ Marvin Webb führt gelegentlich dazu, dass auch zu Philipp Dittberner getanzt werden kann.

Mit „Vorhang auf“ vom Debütalbum „2:33“ hat sich Philipp Dittberner seinen eigenen Show-Opener geschrieben. Und mit genau diesem Song ging er – ich nehme es vorweg – NICHT am Donnerstagabend in Stuttgart in den Ring. Beim ersten Gig einer Akustik-Tour von 12 Terminen verteilt aufs ganze Land. Zwar nicht im großen Saal des Wizemann, sondern nur im Club, aber auch hier finden 500 Zuschauer Platz, wenn der Saal aber auch nicht bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Zu Beginn merkte man Philipp Dittberner eine leichte Nervosität an, zumal seine letzte Tour nach einem Bekunden zweieinhalb Jahre zurückliegt. Die Band hatte noch leichte Probleme, sich zu finden, da schnarrte schon mal die eine oder andere Gitarrensaite, aber das ist verständlich, Proberaum und Konzertbühne sind eben zwei verschiedene Dinge. Spätestens aber mit seinem neuen Song „Gut sein“, lag die Band auf dem Groove.

Natürlich kam dann auch bald „Wolke 4“, der Song, der ihn hier bis ins Wizemann gebracht hat. Unter seinen Fans ist Wolke 4 wohl ein sehr kontrovers gehandelter Song. Nach der Veröffentlichung hagelte es Liebes-, genauso wie Hassbriefe, wird doch das Lied auf Hochzeiten, Beerdigungen, Abifeiern und Scheidungsfeiern (ja die gibt es wirklich) gespielt.

Die Songs wurden für die Akustiktour neu arrangiert und mit einer minimalistischen Instrumentierung – bestehend aus Gitarre, Cello, Piano, Schlagzeug und Akkordeon – versehen. Über allem aber schwebt immer die einmalige, aus 1.000 deutschen Singer-Songwritern leicht herauszuhörende Stimme von Philipp Dittberner.

Philipp Dittberner kann auch Kabarett. „Ich habe früher auch lustige Titel geschrieben“, denn eigentlich sei er doch ein ganz nettes, spaßiges Kerlchen. Im Stile von Andreas Rebers nimmt er sich dabei den „gemeinen“ Konzertkritiker“ zur Brust. „Kritiker gehören unter Artenschutz“, da sie vom Aussterben bedroht seien. „Kritiker, keiner hat dich lieb“, aber auch „Kritiker, ich hab dich lieb“. Ja, was denn nun? Aber Philipp Dittberner spricht mir aus der Seele. Mir geht diese Gattung der selbstverliebten, Gott spielenden Kritiker auch ziemlich auf den Senkel. Und er hat recht: Ich stand ganz hinten allein, ohne Freunde, aber ohne überteuertes Kaltgetränk, das ist im Budget eines Kritikers eben nicht mehr enthalten.

Plötzlich verschwindet Philipp Dittberner von der Bühne. Ich dachte, was macht er jetzt, upps, schon zu Ende. Das wird wohl in einem Verriss enden. Oder Pause? Aber da taucht er wieder auf, hinten im Saal an der Bar und spielt rein akustisch, ohne Mikrofon und Verstärker, „Mein alter Freund“. Ich fühl mich diesmal aber nicht angesprochen.

Mit „Das ist dein Leben“ ist erst mal Schluss. Gut, nach 75 Minuten, hat jetzt nicht Springsteen-Qualität, aber er kommt noch mal zurück, spielt „Winter“, was von der Krebserkrankung eines Verwandten handelt. Die Zuschauer sind erst mal perplex, zumal dieses Lied Philipp Dittberner sichtlich ergriffen macht. Es sei ihm ein Anliegen gewesen, diesen Song in das Repertoire aufzunehmen. Aber beim allerletzten Stück „Deine kleine Welt“ taut dann auch Stuttgart auf und klatscht mit.

Ein sehr gelungener Tour-Auftakt mit einem gut gelaunten und redseligen Philipp Dittberner und einer spielfreudigen Band. Natürlich hat er schon vor einem weitaus größeren Publikum gespielt, aber sein Charme und seine Authentizität hat er sich bewahrt. Man hat das Gefühl, da steht ein neugieriger junger Mann auf der Bühne, der einfach nur seine Musik machen will und uns daran teilhaben möchte. Ich hatte nach Konzertende kurz überlegt, ob ich noch schnell hinter die Bühne gehe, um Hallo zu sagen. Ich stellte mir dann so vor, dass der Security-Mitarbeiter mich einfach durchwinkt und sagt: „Passt schon.“ Dann ich zu Philipp: „Hallo, Philipp, hast du noch Lust auf ein Bier?“ Philipp: „Wer bist du denn?“ Ich: „Konzertkritiker.“ Philipp: „Ich hab dich lieb.“ So oder anders wäre es wohl gewesen. Und so kann es weitergehen.

© Clemens Maguire
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