Was macht ein Konzertveranstalter, der bereits ein uneingeschränkt erfolgreiches Festival-Format in seinem Portfolio vorweisen kann? Er kopiert sich einfach selbst. So geschehen bei der FKP Scorpio. Die Hamburger veranstalten in Kooperation mit dem Rolling Stone Magazin bereits seit 2009 ein Indoor-Musikfestival an der Ostseeküste. Das Rolling Stone Beach (bis 2018 unter dem Namen Rolling Stone Weekender) erweist sich bei Musikliebhabern, die auf den Seitenpfaden des Mainstream ihrer Leidenschaft nachgehen, ausgesprochener Beliebtheit, was regelmäßig dazu führt, dass man sich schon früh im Jahr das Schild „Ausverkauft“ ins Fenster hängen kann.
Von Clemens Maguire
So lag es nahe, über eine Expansion nachzudenken. 2018 startete das Rolling Stone Park Festival im Europa-Park in Rust als Zwillingsfestival zum Rolling Stone Beach und wurde prompt zum Best New Festival des Jahres 2018 gekürt.

Identisches Lineup
Innerhalb einer Woche treten die Künstler im absolut identischen Lineup sowohl an der Ostsee als auch im Schwarzwald auf. Durch die Synergieeffekte, die dadurch entstehen, sind extreme Kosteneinsparungen möglich, die der Veranstalter an seine Gäste durch vergünstigte Ticketpreise weitergeben kann. Das Konzept dahinter ist nicht neu, wird doch bei Rock im Park und Rock am Ring ähnlich verfahren. Aber gerade das Konzertbusiness, das unter extrem hohen Gagen- und fixen Produktionskosten leidet, kann davon profitieren.
Trotz allem muss man als Veranstalter so ein neues Festival erst mal im Kalender der Musikfans verankern. Und das erwiest sich als sehr schwierig. 2018 erreichte man mit 2.200 gerade mal die Hälfte der anvisierten 4.000 Zuschauer. Auch dieses Jahr kamen wohl nur gerinfügig mehr Zuschauer nach Rust. Wie etabliere ich nun ein neues Festival, in einer Zeit, in der jede Kleinstadt ein eigenes Open-Air vorweisen kann?

4-Sterne Superior Erlebnishotel „Colosseo“
Ich mache alles ganz anders und doch nichts neu. Die Location ist dann keine Wiese mehr am Stadtrand, sondern ein Ballsaal, der Traumpalast oder ein Jahrmarktkarussell. Ich tausche das so geliebte Dixi-Klo gegen luxuriöse Sanitäreinrichtungen mit Musikuntermalung. Das 2-Mann-Zelt wird zum 4-Sterne Superior Erlebnishotel „Colosseo“ und Matsch und Regen tauscht man einfach gegen einen roten Teppich unter Sternenhimmel.

Zielgruppe 30+
Nun mag der eingefleischte Konzertbesucher sagen, da würde das Festivalgefühl total abhandenkommen. Aber der Veranstalter hat auch nicht den Anspruch gegen die großen Sommerfestivals anzukämpfen, schließlich hat man mit dem Southside-Festival ein eigenes Mega-Event im Angebot. Man sucht sich einfach eine neue Zielgruppe, die es gern komfortabel mag und sich das auch etwas kosten lässt. Die Leser des Rolling Stone ziehen Musik von Neil Young eben der von Post Malone vor. Und das macht sich auch beim Rolling Stone Park bemerkbar, wenn man mit 50 nicht mehr der Älteste auf einem Festival ist.

Love & Peace
Das ist wohl auch der Grund, warum das Rolling Stone Beach so lange so erfolgreich ist und warum auch das Rolling Stone Park erfolgreich sein wird. Die heute 50jährigen sind im Jahr von Woodstock geboren. Denen macht keiner was vor, wie man auf einem Festival feiert, aber eben nicht mehr im Schlamm. Die Atmosphäre auf dem Rolling Stone Park hat etwas von Love & Peace, es gibt kein Pogo vor der Bühne und niemand muss Angst haben, seine Designer-Jeans mit Bier zu versauen.

Skurrile Locations
Bei der Auswahl der Bands hat die FKP ein sehr feines Händchen bewiesen. Neben bekannten Altstars und Rockheroes traten Newcomer und Singer/Songwriter in teils skurrillsten Locations auf . Alle vereint unter einer Prämisse: erfolgreich ja, aber bitte keine aktuellen Chartplatzierungen.

Amusing but surreal
Elbow fallen da etwas aus der Reihe. Der Headliner des 2. Tages hat gerade sein neuestes Album „Giants of all Sizes“ veröffentlicht. In Großbritannien auf Nummer Eins. In Deutschland platzierte sich das Album eher unter ferner liefen. Da gibt es Nachholbedarf, dachte sich wohl Sänger Guy Garvey, und ließ sich für einen Vergnügungspark buchen, obwohl Elbow auf der Insel in Glastonbury vor 100.000 spielen. „Amusing but surreal“ war sein Kommentar zu der außergewöhnlichen Location.

Alte Helden
Neben Elbow spielten die Ikonen des Britpops The Charlatans , die britischen Indie-Rocker Maximo Park, die Ska-Reggea-Legenden von The Specials, die schottischen Britpoper Teeanage Fanclub. Auch Ex-Hüsker-Dü Bob Mould gab sich die Ehre, sorgte für seine Soloperformance aber eher dafür, dass der Ballsaal Berlin sich schnell leerte. Aber auch das ist das Schöne an diesem Festival. Gefällt ein Act gar nicht, wird weiter geschlendert, irgendwo wird immer Musik gespielt.

Neue Helden
Den Reiz des Rolling Stone Park macht aber etwas anderes aus, und zwar die unbekannten Bands und Singer/Songwriter, die es zu entdecken gilt, bevor sie als Ed Sheeran bei Rock am Ring gebucht werden. Zum Beispiel der schwedische Singer/Songwriter Christoffer Wadensten, der unter dem Namen Meadows Musik macht, spielte im Karussell das wohl kurioseste Konzert des Festivals, während die Zuschauer auf Holzpferden und auf dem Boden sitzen. In Deutschland gäbe es das beste Publikum, weil man hier so gut zuhören würde. Und da es so leise im Saal war, stöpselte Meadows seine Gitarre aus, mischte sich unter das Publikum und spielte unplugged auf dem Karussell weiter. Ein wahrhaft magischer Moment.

Aber wie geht es weiter?
Das Konzept funktioniert zweifelsfrei, aber dafür muss der Veranstalter wohl einen langen Atem an den Tag lagen. Aber auch das Rolling Stone Weekender brauchte eine gewisse Zeit, um sich zu etablieren. Nimmt sich der Rolling Stone zusammen mit der FKP Scorpio die Zeit oder stampft man die Idee wieder ein?
Eins gibt Hoffnung: In der Rolling Stone Talk-Runde im Traumpalast war Jasper Barendregt vom Veranstalter FKP Scorpio offen für Vorschläge, weitere Rolling Stone Festivals zu etablieren, sofern ihm jemand geeignete Locations nennen könnte. Die Entscheidung, ob und wie es mit dem Rolling Stone Park weitergeht, wird der Veranstalter nach eigener Aussage demnächst bekannt geben. Das Rolling Stone Park schließt in jedem Fall eine Lücke im Festivalkalender, aber da am Ende die Zahlen entscheiden, kommt zumindest leiser Zweifel auf.




