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Ralf Schmitz: „Humor funktioniert nur in Freiheit.“

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Interview mit dem Comedian Ralf Schmitz über sein neues Programm Schmitzeljagd, seine Liebe zur Improvisation, seine Vorbilder und eine Aussicht auf sein 58. Programm.

Vor seinem Auftritt in Pforzheim am 7. Februar im Congress Centrum sprach Clemens Maguire mit Ralf Schmitz.

Kulturschrei: Ihr neues Programm heißt „Schmitzeljagd“, das nach Ihrer eigenen Aussage zu 50% aus Improvisation besteht. Inwieweit überlassen Sie die Improvisation wirklich dem Zufall? Oder bekommen Sie nicht durch das Einbinden der Zuschauer einen hilfreichen Rahmen gesetzt, den Sie mit Ihrer schauspielerischen Gabe extrem schnell füllen können?

Ralf Schmitz: Bei der Improvisation sind die Wünsche und Beiträge der Zuschauer immer zum einen eine Herausforderung, um die Spontanität zu kitzeln und sich immer wieder neu auf Situationen einlassen zu können. Zum anderen liefern die Zurufe natürlich auch Rahmen und Richtung für die Szene. Genau so soll es ja auch sein, danach frage ich: Der Zuschauer soll bestimmen dürfen, worum es in der nächsten Situation gehen, was ich spielen soll.

Kulturschrei: Haben sie das Gefühl, der Zuschauer lechzt nach Unvorhergesehenem in einem Bühnenprogramm? In einer Zeit, in der man vor jedem Auftritt alle Programme Ihrer Kollegen in dreifacher Ausführung schon bei YouTube sehen kann, ein cleverer Schachzug, oder?

Ralf Schmitz: Die Improvisation hat mich schon immer gereizt und ist seit vielen Jahren fester Bestandteil meiner Shows. Dahinter steckt kein Kalkül, um ein Alleinstellungsmerkmal zu setzen. Wichtiger ist, dass man bei sich und authentisch bleibt, als Komiker aus dem Herzen arbeitet. Dass die Zuschauer es mögen, mit im laufenden Prozess zu stecken und einen Abend zu erleben, der spontan auf sie zugeschnitten ist und nie wieder irgendwo anders genau gleich sein wird, verstehe ich gut. Genau das mag ich ja auch so sehr. Näher, aktueller am Geschehen als bei der Improvisation kann man nicht sein.

Kulturschrei: Spicken Sie vor dem Auftritt schon mal durch den Vorhang, um sich Ihre späteren Opfer aus dem Publikum rauszusuchen?

Ralf Schmitz: Nein. Nie. Versprochen. Das würde automatisch falsche Erwartungen, Planungen, Einschätzungen in Gang setzen, die fast immer falsch sein müssen. Ich überlasse mich wirklich aktuell der Situation, in dem Moment, in dem ich auf die Bühne trete. Ballast mit zu bringen hält nur auf.

Kulturschrei: Ingo Appelt hat bei uns im Interview mal gesagt, die deutsche Comedy wäre seicht, belanglos und angepasst, eben einfach nett wie Mr. Bean. Das würde daran liegen, dass Frauen die Eintrittskarten kaufen, und die wollen es halt nett. Können Sie das nachvollziehen?

Ralf Schmitz: Überhaupt nicht. Momentan schauen sich viele Frauen (und Männer) zum Beispiel die Kollegin Kebekus an. Und die nimmt nun wirklich kein seichtes oder belangloses Blatt vor den Mund. Das Interview ist aber vielleicht auch schon ein Weilchen her?

Gott sein Dank hat sich eine Vielfalt in der Comedy entwickelt, so dass viele Facetten an Talenten Platz haben. Es wäre doch furchtbar langweilig, wenn wirklich alle Komiker dasselbe machen würden. Politisches Kabarett, alberne Clowns, Sozialkritiker, verrückte, langsame, schnelle, musikalische, wortgewaltige, böse, familientaugliche und viele andere Kollegen gibt es. Und der Zuschauer darf sich aussuchen, was er mag und feststellen, was davon sein komisches Herz erreicht. Jeder darf lachen worüber er mag. Humor funktioniert nur in Freiheit.

Kulturschrei: Ich bin mit Jerry Lewis, Louis de Funès und Pierre Richard aufgewachsen. Welche Vorbilder haben Sie? Und hätten Komiker wie diese heute noch eine Chance?

Ralf Schmitz: Ich bin mit denselben Komikern aufgewachsen und verehre sie bis heute. Authentisch, aus dem Herzen, funny bones, Talent! Die perfekte Mischung. Und natürlich hätten die heute noch eine Chance! Die kämen ja nicht mittels einer Zeitmaschine zu uns, sondern würden den aktuellen Zeitgeist atmen. Und der richtige Blick auf die Menschen, die Sensibilität funktionieren immer, ganz sicher.

Kulturschrei: Stellen Sie sich vor, Sie sind beim Kuchenverkauf Ihrer Kinder (rein hypothetisch) in der Schule eingeteilt. Hätten Sie da das Gefühl, die anderen Eltern erwarten von Ihnen nun ein kostenloses Comedy-Programm oder können Sie sich davon komplett frei machen?

Ralf Schmitz: Diese Frage stelle ich mir nicht. Mag sein, dass manche das erwarten, aber das macht nichts. Der Arzt wird sicher auch oft gefragt, ob er sich mal eben die juckende Stelle am Bein ansehen kann. Ich bin wie ich bin. Und das ist meist nicht weit entfernt von dem, was man auf der Bühne erlebt. Ich würde nicht ungefragt ein Comedyprogramm spielen, aber ein spontaner Scherz kann immer mal passieren.

Kulturschrei: Es ist Zeit für das berüchtigte Assoziationsspiel. Nur diesmal gebe ich Ihre Antwort vor und Sie stellen bitte meine Frage.

v: Wie war das, als Sie das erste Mal auf der Bühne gestanden haben?

Ralf Schmitz: Das war wohl der schönste Tage meines Lebens.

Kulturschrei: Wie gehen Sie im Alltag mit Ignoranz um?

Ralf Schmitz: Damit kann ich überhaupt nichts anfangen!

Kulturschrei: Bitte in einem Satz: Auf was kann sich Pforzheim bei den anderen 50% Ihres Programms am 7. Februar 2020 gefasst machen?

Ralf Schmitz: Pforzheim kann sich außerdem gefasst machen auf einen Fernbedienungskrieg im Bett, ein Speed Dating mit den Zuschauern, Fernsehnachrichten mit Comedykollegen und Fotos von Mamas Handy. So!

Kulturschrei: Stellen Sie sich vor, in 50 Jahren sagt jemand: Mensch, der Ralf Schmitz, das war doch der, der … der was?

Ralf Schmitz: … aus vollem Herzen Komiker ist und heute mit seinem 58. Programm in unsere Stadt kommt! Da gehe ich hin.

Vielen Dank, Herr Schmitz, dass Sie sich die Zeit genommen haben!

Das Interview wurde geführt von Clemens Maguire

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